Webinar-Reihe „Wirtschaft von Übermorgen“ – ein Erfahrungsbericht

Im Februar und März 2020 hab ich mit der Webinar-Reihe „Die Wirtschaft von Übermorgen“ meine erste eigene größere E-Learning-Veranstaltung durchgeführt. Hier möchte ich meine Erkenntnisse und Erfahrungen dabei verarbeiten.

Um ein Fazit vorwegzunehmen: Insgesamt hat mich das Format in dem Glauben bestärkt, dass emanzipatorische politische Bildung online funktionieren kann. Sicherlich sind nicht alle Aspekte von Präsenzveranstaltungen 1 zu 1 online umsetzbar, aber mit ein wenig Kreativität ist viel mehr möglich als man im ersten Moment der Skepsis vielleicht denkt!

Kurz zum Aufbau der Veranstaltung: Ich habe vier Webinar-Termine via Zoom angeboten – immer Dienstags abends um 19:00. Zusätzlich habe ich unter der Woche Materialien über einen Cloudzugang zur Verfügung gestellt und Aufgaben gegeben; auf beides habe ich immer per Mail aufmerksam gemacht. Bei den Materialien habe ich bewusst darauf geachtet, diese abwechslungsreich zu halten (Videos, Texte, Tabellen…), und nicht zu akademische und/oder lange Texte auszuwählen. Außerdem habe ich zwischen Pflichtmaterial und Zusatzmaterial unterschieden. Ich habe die Texte bewusst nicht ausführlich in den Webinaren gesprochen – sie sollten eine zusätzliche Perspektive zu meinen eigenen Inputs bieten.

Der Austausch abseits der Seminare erfolgte über ein Etherpad. Ich hatte zu Anfang der Planungsphase vor, ein Chat-Programm wie Riot oder Slack zu benutzen, damit die Beiträge besser einzelnen TN zuzuordnen wären und diese somit als Personen noch präsenter wären. Letztendlich hab ich mich dagegen entschieden, weil ich die Einstiegshürden für die Reihe so gering wie möglich halten wollte und befürchtete, dass TN das Anlegen eines weiteren Accounts zu umständlich gewesen wäre. Im Nachhinein wäre das glaube ich keine schlechte Option gewesen, da viele TN wirklich Lust auf Austausch hatten und auch ein solches Programm dafür genutzt hätten. Aber auch über das Pad lief der Austausch erstaunlich gut, über eine erste Erwartungsabfrage zu kleinen Diskussionseinheiten und Nachfragen bzw. Feedback.

Vorteile von E-Learning

Online-Veranstaltungen haben einige interessante Vorteile gegenüber Präsenz-Seminaren:

1. Durch den Chat oder parallel genutzte Pads kommt eine Beteiligungsdimension ins Spiel, die Präsenzseminare so nicht bieten. Wenn TN parallel zum Vortrag in den Chat schreiben, ermöglicht es ihnen mitzudenken, ohne den Fluss der Veranstaltung zu stören; außerdem können so viele Menschen gleichzeitig an einer Diskussion beteiligt werden.

2. Sie erschließen ein neues Publikum für Politische Bildung:

– Schüchterne oder Introvertierte Menschen, die auf Präsenz-Seminaren gar nicht auftauchen würden.

– Vielbeschäftigte, die für einen Wochenend-Workshop keine Zeit haben, aber 4 Kurzveranstaltungen häppchenweise pro Woche noch unterkriegen.

– Menschen abseits der politischen Bildungshotspots in den Großstädten.

Erkenntnisse

An dieser Stelle schildere ich noch einige Erkenntnisse, die ich für die Durchführung erfolgreicher Webinare gewonnen habe:

1. Beteiligung ist Queen

Regelmäßig war die Stimmung im Webinar am besten, nachdem TN in Kleingruppen diskutieren konnten. Auch die verschiedenen Aspekte, die dort diskutiert wurden, waren ziemlich spannend, weil sie so divers waren. Beteiligung ist mMn auch lerntheoretisch wichtig: Es geht dabei darum, die Frage „Was hat das mit mir und der Welt zu tun?“ zu klären und einen Anschluss an das eigene Vorwissen zu kreieren.

Abseits der Kleingruppen, zu denen ich allen Webinar-Veranstalter*innen rate, habe ich auch noch gute Erfahrungen mit einer Methode gemacht, die ich Mikro-Beteiligung nenne: Innerhalb eigener Inputs habe ich die TN regelmäßig mit Fragen wie „Fallen euch da noch weitere Beispiele ein?“ oder „Was meint ihr: Ist Corona ein Window of Opportunity?“ einbezogen. Diese Fragen konnten schnell im Chat beantwortet werden und haben den Vortrag dadurch nicht riesig abgelenkt oder in die Länge gezogen. Aber diese Möglichkeit wurde immer dankbar angenommen und hat – so vermute ich – die Aufmerksamkeit dadurch hochgehalten.

2. Gute Referent*innen mit klarer Botschaft sind wichtig

Dieser Punkt scheint dem ersten zu widersprechen, aber ich glaube, beide ergänzen sich sehr gut. Einer der Höhepunkte (laut Feedback) war der Input von Friederike Habermann zu Commons und Solidarischer Ökonomie. Friederike hat eine klare Botschaft und versteht es, diese rüberzubringen und mit historischen Fakten und einer Darstellung der Ideengeschichte zu unterfüttern. Es gibt einfach Menschen, bei denen macht es Spaß zuzuhören – und wenn man sie danach sogar noch selber etwas fragen kann, ist das umso inspirierender!

3. Das „Drumherum“ (Materialsammlung, Austauschmöglichkeit) hält TN* am Ball.

Wie oben beschrieben, habe ich versucht, die Materialien kurz und knackig, vielfältig und multimedial (also Videos, Audios oder zumindest bebilderte Texte) zu gestalten. Das wurde im Feedback honoriert.

Es ermöglicht TN* je nach Zeitressourcen und Interesse, die Webinar-Themen individuell noch zu vertiefen und weitere kritische Perspektiven kennenzulernen.

Für schöne und lehrreiche Webinare kristallisiert sich für mich immer mehr die Formel „Interaktive Webinare + Lernumgebung für das Drumherum“ heraus.

4. Kleine Webinare gehen auch ohne Tech-Support.

Ich habe jetzt schon häufiger gelesen, dass man bei Webinaren auf jeden Fall eine Extra-Person als technischen Support braucht (und habe diese Rolle selbst auch öfter eingenommen). Mit ein bischen Erfahrung & Routine in den Funktionen – Bildschirm teilen, Kleingruppenräume einrichten, auf den Chat achten (Tipp: Mit der Zoom-App per Handy dazuschalten und dort immer den Chat offen haben) bekommt man das aber auch gut alleine hin. (Wobei – ich weiß natürlich nicht, wieviele Menschen versucht haben teilzunehmen und dann genervt aufgegeben und sich nicht mehr gemeldet haben.)

Allerdings ist Zoom da auch recht einsteigerfreundlich, bei komplexeren Programmen ist eine Person im Hintergrund für Technikfragen vermutlich nicht verkehrt!

Insgesamt fand ich es ein spannendes Experiment mit gutem Ausgang, und ich habe Lust bekommen solche Formate noch häufiger anzubieten. Eventuell veranstalte ich die gleiche Reihe auch nochmal und bewerbe sie im Bekanntenkreis und über offene Verteiler – mal sehen!